Come from: Gang // Zug

Seine Sachen waren in verkleinert in seiner Jackentasche verstaut und er hielt nur den Käfig fest, in dem sein Jagdfalke saß und aus dunklen Augen aus den Gitterstäben lugte. Später würde er ihn freilassen. Lyam schob die Tür auf und betrat das Abteil dahinter. Als er die Person auf dem Sitz erkannte, erstarrte er.
Penny ..., unwillkürlich schlich sich ein Lächeln auf seine Lippen.
"Guten Morgen", begrüßte er sie und stellte den Käfig auf einen der Sitze ab.

Sein Lächeln gefror und fiel ab. Er seufzte auf und strich sich durch die Locken. Natürlich verstand er Pennys Wut, doch ihm war damals keine Wahl geblieben. Und wieso sie sich so aufregte, war ihm schleierhaft, immerhin waren sie kein Paar gewesen ... Wortlos nahm er Platz und sah aus dem Fenster, ignorierte Pennys zornfunkelnden Blick. Sollte sie von ihrer Gabe gebraucht machen, würde er nicht zögernd die seine einzusetzen und beide Gaben waren wirklich schmerzhaft.

"Ich kehre an die Antwood zurück", seine Stimme war ungerührt, doch das war nur eine Illusion, der er sich zu gerne hingab.
In den letzten Wochen hatte der junge Werwolf oft an Penny denken müssen.
"Was regst du dich eigentlich so auf, meine Güte", er lehnte sich zurück und strich sich unbewusst über den Kragen seines Hemdes, das aufgestellt, die Narbe des Bisses verbarg.

"Ich hatte keine Zeit dafür und auch keine Nerven", zischte er zurück und musste sich wirklich zusammenreißen, um Penny nicht in den Genuss seiner Gabe kommen zu lassen. Vor einem halben Jahr hatte ihn völlig überstürzt die Nachricht ereilt, dass sein Vater in Sterben lag und er war nach Hause beordnet wurde, hatte keine Chance bekommen, sich zu verabschieden, Freunde seines Vaters hatten ihn mitten in der Nacht abgeholt und nach Hause gebracht, wo sein Vater vier Tage später gestorben war und er sich um die Geschäfte der Familie und seine labil gewordene Mutter hatte kümmern müssen. Es war keine leichte Zeit für ihn gewesen und er sprach nicht gerne darüber. Erschwerend kam noch dazu, dass Penny sich oft in seine Gedanken geschlichen und seine Ruhe und Konzentration gestohlen hatte. Auch seine Mutter war keine Hilfe für ihn gewesen und Jeni hatte er nicht mit alldem belasten wollen, der Verlust des Vaters war bereits schwer genug ...

Lyam erwiderte nichts darauf. Was denn auch? Penny würde ihm niemals Glauben schenken, dass er keine Zeit und Nerven dafür gehabt hatte, dass er sich abgeschottet, einen Panzer um sich aufgebaut hatte. Er seufzte leise auf und strich sich erneut über den Kragen seines Hemdes. Auch wenn der Stoff seinen Hals bedeckte, konnte er den Schorf spüren, die Narbe und ein Schaudern überlief ihm. Diese eine Nacht würde der junge Watson niemals vergessen. Diese eine Nacht war der Beginn seines neuen Lebens gewesen ...

Als sich Penny ihm wieder zuwandte, musterte er sie und seufzte auf.
"Es tut mir leid, es ging nicht anders", er sollte aufpassen, was er sagte, was er tat.
Penny durfte keinen Verdacht schöpfen, es war besser für sie, für ihn. Wer wusste schon, wie sie reagieren würde und auf ein hysterisches Mädchen, das jederzeit alles abfackeln konnte, inklusive ihm selbst, hatte er nun wirklich keine Lust. Der Zug setzte sich in Bewegung, ein sanftes Schaukeln ging durch das Abteil und Lyam hob den Käfig auf seinen Schoss, öffnete die Tür. Sein Jagdfalke ergriff die Einladung, als er ihm den Arm hinhielt, flog hinaus und landete auf den Arm. Ly stellte den Käfig zurück, erhob sich und öffnete das Fenster. Kühler Wind und ein paar Tropfen Regen flogen hinein und sein Falke hinaus. Lyam wusste, dass der Falke ihn immer finden würde. Nachdem der Vogel weg war, blieb der Schulsprecher am Fenster stehen, verschränkte die Arme hinter dem Rücken.

Da er mit dem Rücken zu Penny stand, bemerkte er nicht, wie sie die Beine auf dem Sitz zog und in eine Schmollhaltung verfiel. Sein dunkler Blick blieb auf die rasend vorbeiziehende Landschaft gerichtet. Irgendwo über ihnen flog sein Falke und Lyam wünschte sich, ebenso frei sein zu können und zu fliegen, die Welt unter sich zu lassen, den Wind um sich herum zu spüren. Seufzend wandte er sich wieder um und überlegte sich, ob er nicht doch lieber verschwinden sollte. Pennys Nähe machte ihn nervös und seine Gedanken tanzten Tango.